Leseprobe

Cedrik nickte tapfer und checkte ein letztes Mal die Empfangsbalken auf seinem Handy. Kein Netz, schon seit ein paar Stationen. Es wunderte ihn nicht, dass er noch keine Antwort von seinem Freund Jack bekommen hatte. Enttäuscht stopfte er das Telefon zurück in seine Jackentasche und begann mit seinem Vater die Gepäckstücke aus den Ablagen zu räumen.

Es schepperte und die Tür wurde erneut aufgeschoben. Eine Frau, ganz in Schwarz, mit einem kleinen Hund auf dem Arm, steckte den Kopf ins Abteil. „Darf ich?“

Aengus richtet sich auf. „Bitte, natürlich“, erwiderte er freundlich. „Wir müssen ohnehin gleich aussteigen.“

Die ungewöhnlich grünen Augen der Frau blitzten hinter ihrer goldenen Brille auf.

„Soso. Sie wollen also nach …“ Sie zögerte.

„Mistle End“, ergänzte sein Vater freundlich.

Die Frau machte noch immer keine Anstalten, das Abteil zu betreten. Sie nickte, auf ihren Lippen ein schmales Lächeln. „Ein sehr besonderer Ort“, sagte sie.

Aengus warf Cedrik einen begeisterten Blick zu. Dann wandte er sich wieder an die Frau. „Ach, wie schön. Sind Sie etwa von dort?“

Die Frau lachte. Es klang künstlich.

„Gott bewahre, nein. Aber ich kenne den einen oder anderen … Bewohner.“

Sie musterte Cedrik aus schmalen Augen, der Hund auf ihrem Arm knurrte ihn an.

Cedrik war verblüfft. Was hatte der Hund denn? Als er spürte, wie der Zug abbremste, wandte er sich nervös an seinen Vater. „Dad, wir müssen …“

Sein Vater sah erschrocken aus dem Fenster. „Oh, du hast recht. Dann mal los!“

Aengus wollte eben eine Bücherkiste aus der Gepäckablage heben, als sich die Frau erstaunlich geschickt in ihr Abteil schlängelte und seinen Vater am Handgelenk packte. „Was wollen Sie dort?“, zischte sie ihn an. „Was haben Sie vor, an diesem Ort?“

Der Hund auf ihrem Arm kläffte laut.

Sein Vater sah Frau und Hund verwirrt an, riss sich aber nicht los. „Ich bin … ich bin Lehrer und werde dort unterrichten.“

Die Frau runzelte die Stirn und löste ihren Griff, fixierte ihn aber weiter misstrauisch. Der Hund bellte noch immer.

Die Bremsen quietschten laut und Cedrik erschrak. Wir müssen aussteigen! Jetzt!

„Dad, wir sind da!“

Aengus nickte ihm zu und schob die Frau sanft beiseite. „Sie verzeihen …“, sagte er höflich, aber bestimmt und begann, die Bücherkisten aus dem Abteil zu wuchten. Als sich Cedrik mit seinen Taschen an der grimmigen Frau und ihrem zähnefletschenden Möchtegern-Monster vorbeidrückte, sah er ein schweres und reich verziertes Goldkreuz unter ihrem schwarzen Mantel aufblitzen.

Panische Schaffner und verrückte Nonnen. Sind die im Norden alle so? Willkommen am Ende der Welt.

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung